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Gespräch in der KIA-Praxis in der Adeimántou-Str. 83 in Korinth am 21. 9. 2023
Anwesend sind Anthippi und Spilios von der Praxis-Initiative, Hauke von der Böblinger Solidaritätsgruppe und Anke, Elke, Jürgen und Achim vom Oldenburger Förderverein. Hauke übernimmt den schwierigen und anstrengenden Part der Übersetzung.
Themen des Gesprächs sind u.a. die veränderte Tätigkeit der Sozialpraxisinitiative, die weitere Perspektive dieser Arbeit, die gegenwärtige Unterstützung von Geflüchteten und Einheimischen, das Verhältnis von deutschen Unterstützer*innen und Praxisteam sowie die Aktivitäten des Teams nach dem Besuch
Weiterlesen: Gespräch in Sozialpraxis Korinth 2023 und Treffen in Kalamata
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Bericht über das Gespräch in den Räumen der sozialen Praxis der Solidarität Korinth am 29.9.2022
Am 29. September 2022 trafen Elke Vajen und Joachim Sohns, Mitglieder des Oldenburger Fördervereins ehrenamtliche Gesundheitspflege in Griechenland, wieder Anthíppi Kazakopoúlou und Spilios Xenópoulos in den Räumen der Sozialen Praxis der Solidarität (KIA Korinth) in der Adeimantos-Straße 83 in Korinth. Begleitet wurden sie wieder von Evamaria Lang und Waltraud Sperlich, die die gemeinnützige Initiative Lysos Garten in Kalamata (Gartenarbeit und Ausbildung für Menschen mit Handicap) finanziell managen und leiten. Sie übersetzten das Gespräch. Ihnen ist herzlich zu danken, da sie uneigennützig trotz großer Terminschwierigkeiten die weite Fahrt aus der Mani nach Kalamata, weiter nach Korinth und zurück auf sich nahmen und so uns mit ihrer solidarischen Unterstützung einen ganzen Tag opferten.
Der folgende Bericht ist von Joachim Sohns verfasst, er stützt sich auf eine Tonaufnahme:
Spendentransport ins Flüchtlingslager
Wir waren in der Mittagszeit verabredet, in der Anthíppi und Spilios von der Arbeit in die Adeimantos-Straße kommen wollten. Doch wir verspäteten uns um eine halbe Stunde, u.a., weil wir Schwierigkeiten hatten, in dem Gewirr von Einbahnstraßen und Mittagsrushhour den richtigen Teil der Straße anzusteuern. Die beiden aber warteten geduldig, begrüßten uns herzlich und bestellten erst einmal Kaffee für uns. Gleich erkundigten sie sich, ob wir ihren Bericht vom 14.9.22 (siehe unten) und die Fotos von der letzten Übergabe von 19 gespendeten Kisten voller Windeln an das Flüchtlingslager vor den Toren Korinths sowie die Fotos von den Quittungen unserer Spendensummen nach unserem letzten Besuch im Jahr 2021 erhalten hätten.
Abholung der Windelkisten
Diese waren uns von Theodora Thomas-Tsoka und Hauke Thomas von der Böblinger Soli-Initiative übermittelt worden, die die Sozialpraxis vor uns besucht und ausführlich mit den Korinthern über die aktuelle Lage und über unseren Wunsch nach konkreten Infos gesprochen hatten. Anthíppi und Spilios erzählten von den Schwierigkeiten, über Apotheken und Internet an einigermaßen günstige Windeln für die Kleinkinder in dem Lager zu gelangen. Lange haben sie im Internet nach günstigen Windeln gesucht – und schließlich welche für 10ct pro Windel gefunden. Diese haben sie dann en gros bestellt und mit einem Pick-up eines Verwandten zum Lager transportiert.
Die Kartons werden verladen
Was lief während der Pandemie
Sie berichteten, dass in den letzten zwei Jahren, während der Corona-Pandemie, keine Behandlungen in den Praxisräumen stattfinden konnten, da einerseits die Hilfesuchenden, meist ältere Leute, Angst vor Ansteckungen gehabt hätten, andererseits der harte Lockdown und die Gefahr von Schadenersatzforderungen das verhindert hätten. Die Praxis ist nicht offiziell als Arztpraxis anerkannt, und so gelten nicht die entsprechenden Regeln. In einer gewöhnlich Praxis müssen alle geimpft sein, Ärztin und HelferInnen, hier aber sind Freiwillige tätig. Diese und Hilfesuchende könne man nicht verpflichten oder kontrollieren. Was lief, waren Medikamentenverteilungen an Bedürftige – wir sahen eine große Tüte mit gespendeten Medikamenten vor uns liegen – und die Hilfe an die mittellosen Geflüchteten. Neben den Sachspenden – Windeln, Babymilch etc. - sorgen sie für Impfungen von Kindern und helfen mit notwendigen Medikamenten und Arzneien aus.
In einem Schreiben vom 14.9.22 hatten sie berichtet:
Wir „unterstützen weiterhin die Flüchtlinge, die keine AMKA (Nummer des Registers der Sozialversicherung)¹ haben, indem wir Impfungen für die Kinder kaufen. Darüber hinaus versorgen wir mit gespendeten Medikamenten unsere Mitbürger*innen, die die Zuzahlungen für die Medikamente nicht leisten können. Wir besorgen Antibiotika, Schmerzmittel, fiebersenkende Mittel, Hustensäfte, Salben und alles, was in dem offenen Lager, wo die Flüchtlingsfamilien leben, benötigt wird. Immer wieder haben wir auch Babymilch und Pampers gekauft. Unsere ökonomischen Möglichkeiten sind natürlich sehr beschränkt… Unsere Einnahmen stammten bisher (außer Euren Spenden) von Musikveranstaltungen, die wir aber in den letzten fünf Jahren wegen der Pandemie, aber auch wegen der Ermüdung unserer freiwilligen Helfer*innen, nicht mehr durchgeführt haben. So kommt uns eure finanzielle Unterstützung sehr gelegen und wir bedanken uns herzlich dafür.“
Im August 2022 „sind wir noch einmal in Kontakt mit dem Roten Kreuz und der ‚Internationalen Organisation für Migration‘ IOM getreten, die im offenen Teil des Flüchtlingslagers Korinth arbeitet. Im offenen Lager leben 800 Personen, davon 150 kleine Kinder. Die IOM hat uns gebeten, Kinderwindeln in verschiedenen Größen zu besorgen. Die jetzt bestellte Anzahl wird für einen Monat reichen, und wir haben über das Internet bei SKROUTZ ein Angebot gefunden: Kostenpunkt 500 €. Wir werden weiterhin diese Artikel kaufen und verteilen mit Hilfe der IOM. Die Unterstützung mit Medikamenten, Bedarfsartikeln und Windeln ist im offenen Lager ständig und auf lange Sicht notwendig. Wir sind keineswegs der Meinung, dass diese Aktionen ausreichen, um die Probleme der Flüchtlinge zu lösen…. Wir glauben aber, dass diese Solidarität als erster Schritt des Widerstandes hilft, der Barbarei, die leider in unserer Welt herrscht, entgegenzutreten.“
¹) Ohne die Sozialversicherungsnummer keine Berechtigung auf Krankenhausbehandlung
Bei der Versorgung arbeiten sie, wie oben beschrieben, mit der IOM zusammen – der Internationalen Organisation für Migration, einer Organisation der Vereinten Nationen, die für Migrationsfragen zuständig ist -, die das Lager verwaltet. Von Seiten der IOM wurde ihnen mitgeteilt, dass kein anderer außer ihnen ihnen Babywindel und Babymilch schickt. Daher haben sie einen dauerhaften Bedarf an Finanzspenden zur Finanzierung der Sachlieferungen und Impfungen.
Das sind die Windeln für die Kinder im Flüchtlingslager
Waltraud ergänzte, Windeln seien in Griechenland teuer, und nicht nur Eltern in Geflüchteten-Lagern litten unter Windeln-Mangel, sondern auch alte Menschen in Heimen, die an Kontinenz litten. Freunde versorgten ein Heim in ihrer Nähe, bei dem sie festgestellt hatten, dass es den Menschen dort an Notwendigstem mangelte.
Das Rote Kreuz, das noch im letzten Jahr Arztsprechstunden angeboten und das Verschreiben von Rezepten geregelt hatte, hat das Lager verlassen. Bei Notfällen müssen sich die Geflüchteten im staatlichen Krankenhaus, dessen Notaufnahme immer überfüllt ist, hinten anstellen. Im Lager gibt es Fluktuation, einige verlassen es, andere kommen hinzu, aber über die Gründe und über den Status der Geflüchteten wissen Anthíppi und Spilios nichts.
Die gegenwärtige KIA-Initiative
Wir haben noch einmal erklärt, warum wir Interesse an konkreten Infos über die Arbeit der Freiwilligen und über die konkreten Umstände in der Gesundheitsversorgung in Griechenland haben. Gefragt nach der Zahl der übrigen Freiwilligen, die zur Zeit in der KIA-Initiative mit ihnen tätig seien, hatten Anthíppi und Spilios eine traurige Nachricht: Nur zwei bis drei Ehrenamtliche außer ihnen seien übrig geblieben, die anderen seien aus Müdigkeit und Frust weggeblieben. Als sie dann ein Transportauto für die Windelnkisten brauchten, habe ein Verwandter einen Pick-up zur Verfügung gestellt. Anthíppi und Spilios wiesen darauf hin, dass es zu Beginn der Krise in ihrer Arbeit hauptsächlich um die Mängel in der Versorgung der griechischen Bürger*innen gegangen sei, der Schwerpunkt sich nun aber verschoben habe. Die GriechInnen hätten sich auf die eine oder andere Weise in die mangelhafte Versorgung eingerichtet, noch größer sei jetzt aber die Not der Geflüchteten.
Gegenwärtige Lage im Gesundheitswesen
Gefragt nach der momentanen Situation in der griechischen Gesundheitsversorgung, antworteten die beiden, dass sich zwar die Lage der Nichtversicherten seit 2014 ein wenig verbessert habe: Vorher mussten sie jegliche medizinische Behandlung selber bezahlen und konnten sich meistens nichts dergleichen leisten. Auf Druck der Öffentlichkeit – u.a. aus den Reihen der Ehrenamtlichen der Sozialkliniken – habe die Syriza-Regierung dann allen die Berechtigung zugesprochen, sich kostenlos in staatlichen Krankenhäusern behandeln zu lassen. Doch was nütze dieses Recht, wenn Personalmangel herrsche und Termine erst nach längerer Frist vergeben würden, wenn es in den Krankenhäusern an Apparaturen mangele und Behandlungen, die diese erforderten, nicht bzw. nur in privaten Einrichtungen durchgeführt, wenn Laboruntersuchungen im Krankenhaus nicht möglich seien und nur privat in Auftrag gegeben werden können?
Evamaria und Waltraud ergänzten später, nicht nur hätten Nichtversicherte keinen Zugang zu Behandlungen außerhalb der staatlichen Krankenhäuser, auch Versicherte müssten in der Regel für Behandlungen bezahlen: Zwar vergebe ihnen eine Vermittlungsstelle auf Anfrage einen Termin bei einem Facharzt, doch nicht bei dem gewünschten und nicht zu dem gewünschten Termin. So gehen Versicherte oft auf eigene Kosten zu dem Arzt ihres Vertrauens. Ein Arzttermin koste in der Regel 40 €. Das sei in Relation zu den griechischen Löhnen viel Geld und könne schon gar nicht mehrere Male gezahlt werden. Und Zahnbehandlung sei in den Krankenhäusern nur selten möglich und auch bei den Versicherungen außen vor, also Privatsache. In Kalamata gebe es im staatlichen Krankenhaus nur einen einzigen Zahnarzt – für alle.
Anthíppi und Spilios berichteten zudem, wenn Nichtversicherte in den Krankenhäusern erschienen, so müssten sich sich hinter den Versicherten hinten anstellen. Diese würden bevorzugt behandelt, den Nichtversicherten würde mitgeteilt, sie sollten in drei Tagen wiederkommen, dann erst könnten sie ihre Rezepte und damit Medikamente erhalten. Außerdem setze sich auch in den staatlichen Krankenhäuser zunehmend das Prinzip durch, dass es nur um Kohle gehe, dass Profit Vorrang habe. Operierte würden möglichst schnell entlassen, um das Bett für die nächste freizumachen, auch wenn die Behandlung noch nicht vollständig abgeschlossen war. Wir sahen Parallelen zu den Krankenhausprivatisierungen in Deutschland und zu der Einführung der Fallpauschalen im Jahr 2000. Wir berichteten davon und vom Widerstand gegen die Privatisierung.
Die Personalsituation habe sich in den griechischen Krankenhäusern auch während der Corona-krise nicht verbessert, berichtete Spilios, im Gegenteil. In Korinth z. B. mussten Ärzte, die nicht dafür ausgebildet waren, Intensivbehandlungen von Covid-Patienten durchführen, weil keine entsprechenden Fachärzte zur Verfügung standen. Viele Ärzte, die in Griechenland studiert haben – und deren Ausbildung koste den griechischen Staat je Person 50.000 bis 60.000 € -, gehen nach dem Studium ins Ausland, z. B. nach Deutschland, weil sie in Griechenland keine Perspektive sehen und sich im Ausland eine Existenz aufbauen wollen. Und das seien meistens die besten Köpfe, die das tun.
Flüchtlingssolidarität in schwieriger Lage
Wir berichteten von den Appellen Oldenburger Initiativen zur Aufnahme von Geflüchteten, die derzeit in Lagern auf den griechischen Inseln leben, und dem entsprechenden Beschluss des Stadtrates sowie von dem kürzlichen Appell zur rechtlichen Gleichstellung ukrainischer und anderer Geflüchtete. Wir fragten nach Bündnissen in Korinth, in denen sie evtl. Unterstützung finden könnten. Anthíppi und Spilios berichteten daraufhin, für sie spiele es keine Rolle, woher ein Flüchtling komme. Sie versuchten zu helfen, wo Not sei und wo sie helfen können. Dass Flüchtlinge je nach Nationalität unterschiedlich behandelt werden – das konnten sie nicht nachvollziehen. In Griechenland gebe es im Übrigen nur relativ wenige Geflüchtete aus der Ukraine. (Waltraud ergänzte, dass sie von einzelnen Beispielen an anderen Orten wisse, dass ukrainische Geflüchtete in Griechenland schnell Hilfe erhalten hätten, z. B. in Katerini.) Die KIA-Initiative sei kein Verein, kein NGO, fuhren Anthíppi und Spilios fort, da arbeiteten nur unabhängige Ehrenamtliche, die nicht irgendwo organisiert seien, und keine Partei oder Gruppe unterstütze sie. Bündnisse gebe es momentan auch nicht.
Im Übrigen seien sie damals angetreten, um die Krisenpolitik zu bekämpfen und politische Veränderungen zu bewirken, um auch so den Menschen zu helfen – und nun würden sie Windeln verteilen. Das sei enttäuschend und ermüdend, und das würden nicht viele mitmachen. 2014 sei er z. B. dafür angetreten, dass Krebspatienten wieder ihre regelmäßigen Medikamente erhalten, sagte Spilios. Das sei eine große Sache gewesen, das hätten viele Ärzte unterstützt. Und sie hätten in Korinth Bündnis-Treffen von den Sozialkliniken und -praxen in Griechenland organisiert. Auf öffentlichen Veranstaltungen seien bis zu 5.000 Leute zusammengekommen. Und nun stelle sogar die erste große Sozialklinik Griechenlands, die Elleniko in Athen, ihren Betrieb ein. Früher habe es ein Netzwerk gegeben, in dem man sich ausgetauscht und gegenseitig geholfen habe, z. B. Medikamente je nach Bedarf ausgetauscht habe. Das gebe es nicht mehr. Und nun seien auch die politischen Signale, die von der Regierung ausgingen, sehr bedrückend. Plötzlich sitze einer, der mit Faschisten sympathisiere, im Gesundheitsministerium. Mitsotakis fische im rechten Rand, ergänzte Waltraud. Solche Entwicklungen frustrierten. In Korinth laufe nur noch die Flüchtlingsunterstützung – und die Medikamentenverteilung, sagte Anthíppi. Die Medikamente erhalten sie von Apotheken – zur kostenlosen Verteilung an die, die sie benötigen und sie sich nicht leisten können.
Reich und Arm – in schwieriger Lage weitermachen
Die Verfügung über Geld sei das entscheidende Kriterium. In Griechenland stören die Leute, die kein Geld haben, man wolle sie nicht im Land haben. Aber Reiche, die zum Beispiel Immobilien kaufen, die seien willkommen. Deren politische Haltung und Handlung, ob sie schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen hätten („jemandem hätten die Hand abhacken lassen“), sei dann egal, sie seien auf jeden Fall willkommen. Es gebe ein Lager mit ca. 600 Roma vor der Stadt – die seien verfemt und müssten für alles herhalten, für jeden Diebstahl. Doch wenn man gutsituiert sei, kämen solche Verdächtigungen nicht auf. Fatal sei zudem, dass Arme dazu verführt würden, auf die noch Ärmeren herabzusehen und ihnen jegliche Hilfe zu missgönnen. Spilios zitierte Lenin: Es sei das Problem, dass getretene Arme die noch Ärmeren treten.
Wir wiesen darauf hin, dass die Flucht ein europäisches Problem sein und von Europa gemeinsam gemeistert werden müsste, dass Griechenland damit alleingelassen werde. Spilios ergänzte, dass auch Kriege diese mit verursachten, die nicht von den Menschen hier verursacht worden seien. Wir betonten, dass es gerade wegen der bedrückenden politischen Entwicklung wertvoll sei, was sie tun, dass es von uns Deutschen auch als griechisches politisches Statement gegen die Flüchtlingspolitik bewertet und wertgeschätzt werde. Spilios versicherte, er wisse von der Bedeutung ihrer Arbeit, und sie wollten sie auch fortsetzen, doch die schwere Lage und die Signale der Regierung seien doch sehr bedrückend.
Mitsotakis´ Nulllösung
Theodora Thomas-Tsoka und Hauke Thomas von der Böblinger gewerkschaftlichen Solidaritätsgruppe hatten im August die Ärzteinitiative in Korinth besucht und in Kalamata, der Hauptstadt von Messenien, von folgendem Vorfall erfahren:
„Letztes Jahr ist in einem Dorf am Meer in Messenien ein Schlauchboot mit Flüchtlingen gelandet. Die Flüchtlinge haben sich auf den Strand gerettet. Als der Ortsbürgermeister und ein Vertreter einer Linkspartei dorthin kamen, haben sie sie mit Wasser und Lebensmitteln versorgt und Handynummern ausgetauscht, dann haben sie die Küstenwache gerufen, damit sie den Flüchtlingen hilft. Aber am nächsten Morgen waren alle Flüchtlinge verschwunden. Als die beiden sich nach ihrem Verbleib erkundigten, sagte die Polizei, es sei niemand jemals da gewesen. Nach einigen Wochen riefen die Flüchtlinge sie an, sie seien mitten auf der Ägäis ausgesetzt worden in einem Schlauchboot. Die Seefahrer unter Euch werden wissen, dass in der Ägäis ein Nordostwind namens Meltemi herrscht, der das Meer oft sehr stark aufwühlen kann, so dass man auf einem Kreuzfahrtschiff seekrank werden kann (ist mir passiert, sogar der Kapitän und die ganze Crew waren seekrank). Es handelt sich also um ein Verbrechen. Ein Bekannter, der Kontakt zur offiziösen Regierungskreisen in Athen hat, sagte mir, dies geschehe überall in Griechenland alle Tage. Das Ziel der Regierung Mitsotakis sei die Nulllösung: Man soll so abschreckend verfahren, dass kein einziger Flüchtling mehr Griechenland betreten würde.“
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14.8.21: „Feuerfolgen lindern“
„Griechenland leidet unter den verheerenden Bränden. Wir haben ein Sonderspendenkonto eingerichtet, denn die Notsituation der evakuierten und vom Feuer betroffenen Kommunen endet nicht mit der Löschung des Brandes, sie tritt lediglich in die nächste Phase. Wir bitten alle Freunde Griechenlands, unsere Arbeit gerade jetzt zu unterstützen:
Förder- und Freundeskreis Elliniko e.V. Brandopfer Griechenland
DE28 2005 0550 1501 8747 78
Unsere Partner von O Topos Mou in Katerini haben sofort reagiert und schickten solche Güter kontrolliert in die betroffenen Regionen, die von dringlichster Notwendigkeit waren: Wasser, haltbare Lebensmittel, Augentropfen, Schmerzmittel, Verbandsmittel etc. Nun sind die Feuer unter Kontrolle und die Menschen kehren in ihre Häuser zurück, die Bedürfnisse haben sich geändert, wir sind in die zweite Phase eingetreten: Konsolidierung und Wiederaufbau. Unser Verein hat als Soforthilfe 10.000€ überwiesen. Damit und durch weitere Spenden soll der komplette Schulbedarf für 1219 Kinder von 25 Schulen aus zwei Kommunen in Nord Euböa für ein ganzes Jahr gedeckt werden….
Der von uns unterstütze Kräuter- und Gemüsegarten LYSO hat in den letzten Tagen seine Gärten ‚abgeerntet‘, um frisches Gemüse in die Gemeinden nördlich von Kalamata zu liefern, die besonders stark vom Feuer betroffen sind. Wir beteiligen uns mit € 1.000, um weitere Lebensmittel zu kaufen. Genau so konkret wollen wir die Menschen in den Brandgebieten weiter unterstützen ...“
Siehe http://www.elliniko-friends.eu/
(Mitglieder des Oldenburger Fördervereins ehrenamtliche Gesundheitspflege in Griechenland e.V. haben spontan 600 € an LYSOs Garten in Kalamata zur Unterstützung der Brandopfer auf dem Peloponnes überwiesen.)
"Corona, die dritte Welle und der Tourismus"
von Niels Kadritzke, 18. Mai 2021
"….In diesem Bericht untersuche ich vor allem, wie der pandemische Verlauf durch das erklärte Hauptziel beeinflusst wurde, Griechenland möglichst früh und weit für den Tourismus zu öffnen. Am Ende gehe ich der Frage nach, ob es die Regierung geschafft hat, das Gesundheitssystem für künftige Krisen besser zu wappnen. …"
Mehr unter https://monde-diplomatique.de
Meldung aus September 2019:
Griechenland : Arbeitslose und andere Nichtversicherte wieder ohne Recht auf medizinische Behandlung?
"Der Erlass des griechischen Gesundheitsministeriums vom 13.8.2019 verbietet die kostenlose Behandlung von Nichtversicherten jedweder Nationalität oder Staatsangehörigkeit und weist alle staatlichen Gesundheitseinrichtungen an, Leistungen den Patienten in Rechnung zu stellen. Hauptbetroffene sind Arbeitslose und Flüchtlinge/Migranten.
Zur Erinnerung: Griechische Arbeitslose erhielten und erhalten keinen Krankenversicherungsschutz, statt dessen gab es bis zur Schuldenkrise 2011 die kostenlose Behandlung in den staatlichen Krankenhäusern. Dies wurde ca. 2012 auf Druck der Troika abgeschafft, was zur Grün-dung der Sozialpraxen führte. Nach einem Jahr des Regierens führte SYRIZA dies 2016 wieder ein und weitete die kostenlose Behandlung auf alle aus, die eine Sozialversicherungsnummer („AMKA“) vorweisen konnten. Diese Regelung kritisierten wir, weil Arbeitgeber*innen Migrant*innen, die ohne Papiere bei ihnen arbeiteten, daran hinderten, eine „AMKA“ zu beantragen, um Beiträge zu sparen, und so viele Menschen ohne Gesundheitsversorgung blieben. Auch wurden nichtarbeitende Ehefrauen oft „vergessen". Trotz ihrer Unvollkommenheit war diese Regelung der Regierung Mitsotakis jetzt zu „großzügig" und sie versucht sie mit obigem Erlass abzuschaffen.
Ob dazu ein einfacher Erlass ohne Gesetzesänderung genügt, ist noch nicht klar, auch die Umsetzung scheint derzeit noch nicht möglich. In den Brennpunkten Athens regt sich bereits Widerstand."
(Meldung aus Kalamata vom 6.9.19)
Griechenland nach Ende des EU-Memorandums - welche Chancen?
Am 21. August 2018 endete das dritte EU-Memorandum für Griechenland und damit das seit 2010 geltende EU-Reform und -Sparprogramm. Die Einigung mit der Eurogruppe über die Zeit nach dem Memorandum sei gleichbedeutend mit einer endgültigen Lösung der Griechenland-Krise, erkärte Ministerpräsident Tsipras (Anm. 1). Ähnliche Äußerungen gab es von der EU-Kommission in Brüssel (2). Tsipras versprach, ab 2019 die Steuern zu senken und den Sozialstaat zu stärken.
Was brachte Einigung mit den übrigen Euro-Ländern für Griechenland?
Positiv:
- Es gibt keine neuen Spar- und Reformvorgaben. Die direkte, detaillierte Kontrolle der griechischen Haushaltspolitik durch die Troika wird beendet.
- Mit Hilfe eines 15 Milliarden-Darlehens und sechs Milliarden nicht in Anspruch genommenen EU-Krediten wird eine Reserve geschaffen, die für alle Zahlungen bis 2020 ausreichen würde.
- Griechenland bekommt von den EU-Ländern bis 2022 in acht Raten 4,8 Milliarden Euro Zinsen zurück, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen (Anm. 4).
- Griechenland kann nach eigenen Vorstellungen Kredite auf dem Kapitalmarkt aufnehmen, allerdings für erhöhte Zinsen.
- Bis 2033 müssen für Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro weder Zinsen noch Tilgungsraten gezahlt werden, für Altschulden insgesamt wird der Tilgungszeitraum um zehn Jahre verlängert - eine echte Lockerung, aber...
Negativ:
es gibt keinen Schuldenschnitt. Seit 2010 sind die Staatsschulden von 301 auf 326 Milliarden Euro angewachsen, auf 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Land soll alle zurückzahlen.
- Damit das rechnerisch möglich ist, erhält Athen die Auflage, bis 2022 jährlich einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent und danach bis 2060 ein durchschnittliches Plus von 2,2 Prozent zu erwirtschaften. Das ist nur Ölförderländern gelungen.
- Die griechische Regierung hatte als Vorgriff auf die Zinsrückzahlung den griechischen Inseln einen Aufschub bei der Mehrwertsteuererhöhung gewährt, in Absprache mit der Brüsseler Kommission und dem französischen EU-Finanzkommissar. Aber nicht mit Berlin (3). Finanzminister Scholz veranlasste daraufhin die Sperrung der 15 Mrd. Euro, bis sich Athen verpflichtete, die Steuersumme an anderer Stelle wieder einzusparen (4).
- Die Botschaft: Die Spielregeln bestimmen wir hier in Berlin. Wir werden auch in Zukunft keine Abweichung vom vereinbarten Programm oder eigenmächtige soziale Wohltaten tolerieren.
- Das Druckmittel: Die acht Halbjahresraten der 4,8 Milliarden Euro griechischer Zinsen fließen nur dann nach Athen zurück,
- wenn alle Auflagen sowie die zugesagten Reformen realisiert werden und
- wenn die Begutachtung positiv ausfällt, ob die Bedingungen für die Auszahlung erfüllt sind.
Es wird vier Inspektionen der EU-Institutionen im Jahr geben. Griechenland unterliegt also weiterhin einer verschärften Aufsicht.
- Die Investoren am Kapitalmarkt werden negative Aussagen der Gutachten mit entsprechenden Zinserhöhungen für Kredite begleiten- ein weiteres Druckmittel.